Schiers besitzt eine Umfahrungsstrasse, ansonsten entspricht der Ort einem typischen Taldorf : etwas an den Berg geschoben, nach zwei Richtungen mit offenem Blick für die Weite des V-Ausschnittes und an der vierten Seite von der Talsohle abgetrennt durch zwei Verkehrsadern, weshalb der Weg zur Landquart hinunter unter der Bahnlinie und der Umfahrungsstrasse hindurch führt.Lebensmittelpunkt sind zwei Plätze, der eine stellt zugleich eine Kreislinie dar, die von der Geburtsabteilung des Spitals, diesem selbst, der EMS (evangelische Mittelschule), einem Laufbahnberatungsbüro, den Gebäuden des Alters- und Pflegeheims sowie der Kirche mit dem Friedhof durchlaufen wird. Dieser auffällig runde, symbolische Spiegel eines öffentlichen Lebensrades lädt zum Nachdenken ein. Ich lenke meine ersten Schritte zuerst in die Kirche, danach in die Bibliothek; als "out of time" würde ich meine Erfahrungen an diesem trüben Montagnachmittag bezeichnen.Auf einem Stuhl im Kircheneingang liegt auffällig plaziert ein Knirps (Schirm). Mir kommt in den Sinn, dass nicht der Besitzer diesen dorthin gelegt haben könnte, sondern jemand, der diesen bei seinem nächsten Besuch darauf aufmerksam machen wollte. Mein Erinnerungsfoto hat wegen dem spärlichen Licht im Kircheneingang wenig Bedeutung, ist aber immerhin ein erstes Dokument für mein Thema, die Topophilie * , weshalb ich nun meine Schuhe ins Schräglicht der Sonne stelle und meinen Pullover zusammen mit den Gesangsbüchern fotografiere. Kirchen sind wundersame Arbeitsorte, da man oft alleine und ungestört bleibt in einer gleichwohl vorbereiteten Umgebung. Danach mache ich mich auf die Suche nach Begegnungen. Mein Projekt sind Inszenierungen: "Würden Sie für mich ein Kleidungsstück an einen von Ihnen gewählten Ort legen und von mir fotografieren lassen? ". Im Zuge dieser Frage entwickelt sich meist ein Gespräch, in dem ich von der Idee des Museums in Bewegung erzähle: in gleicher Weise, wie ein Kleidungsstück in der Öffentlichkeit den Raum z.B. einer Garderobe für einen Augenblick ersetzen (und zugleich darstellen) kann, erzeugen eine Performance, eine Lesung, ein Konzert oder eine andere Veranstaltung im "offenen Museum Prättigau" für eine bestimmte Zeit einen nicht vorhandenen Kunst-Raum.
Manchmal steht das Gespräch, manchmal die Inszenierung der Polaroid-Fotografie im Vordergrund; oder jemand erzählt etwas von sich, wie z.B. die ältere Frau von einem sie berührenden Moment, als sie kürzlich im Saal der Kirchgemeinde zusammen mit gleichaltrigen tanzte und unten im Friedhof eine Beerdigung stattfand. Plötzlich ist das Bild von den Lebensphasen wieder da, doch sind die Orte auf dem topografischen Kreis nicht mehr nur Gebäude, sondern angereichert mit Geschichten, die sie miteinander verbinden.Konkrete weitere Schritte in Vorbereitung :- Ein Fragebogen, der an die Gemeinde verteilt wird (siehe Ausgang und Eingang, Pläne für das Projekt Raum für die Kunst )- Abklärungen über eine zeitweilige Nutzung eines leerstehenden Haus im Zentrum von Schiers- Schilder für Schiers. Wegmarkierungen mit bestimmten Formen und ohne Text an gewählten Orten plazieren- im Herbst: weitere Begegnungen mit BewohnerInnen, um mit ihnen gemeinsam private Räume im Aussenraum fotografisch zu inszenieren.
Schiers, 7.-9.04.08.
*Mit dem Begriff Topohilie umschreibt der französiche Philosoph Gaston Bachelard eine Poetisierung der geliebten Räume, um deren Wesen durch die Erinnerung und die Einbildungskraft zu entschlüsseln.
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